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Darmspiegelung rettet Leben – Experten empfehlen qualitätsgesicherte Vorsorgekoloskopie

Seit Einführung der Vorsorgekoloskopie lassen sich in Österreich hunderte Darmkrebsneuerkrankungen und -todesfälle pro Jahr verhindern. Es könnten noch mehr sein – denn es macht einen Unterschied, ob die Untersuchung qualitätsgesichert durchgeführt wird oder nicht. Internationale Erfahrungen zeigen: Qualitätsgesicherte Einrichtungen finden mehr Krebsvorstufen bei Untersuchungen, was das Erkrankungsrisiko noch einmal deutlich herabsenkt. In Österreich ist jede zweite untersuchende Stelle mit einem Qualitätszertifikat ausgestattet. Bei einem Symposium in Wien diskutieren Experten/-innen den möglichen Nutzen verpflichtender Qualitätssicherung und gezielter Einladungsprogramme für die Darmkrebsvorsorge.

 

Mehr als 4.600 Menschen erkranken in Österreich jährlich an  Darmkrebs – für die Hälfte der Betroffenen endet die Erkrankung tödlich. Das  müsste nicht sein, denn mit der Vorsorgekoloskopie steht eine allgemein  anerkannte, wirksame Methode der Früherkennung zur Verfügung. Welche  Schlüsselrolle bei der Darmspiegelung der Faktor Qualität einnimmt, diskutieren  Experten/-innen aus dem In- und Ausland beim Symposium „Ist Qualitätssicherung  bei der Vorsorgekoloskopie wichtig? Eine Standortbestimmung für Österreich“ in  Wien.

Qualitätssicherung macht einen wichtigen Unterschied

 

Dass die Koloskopie, die in Österreich 2005 als Vorsorgeuntersuchung eingeführt wurde, hervorragend geeignet ist, Dickdarmkrebs zu verhindern, zeigen Vergleichsdaten. Laut Krebsregister der Statistik Austria sind 2010 rund 600 Personen weniger an Darmkrebs erkrankt und rund 250 Menschen weniger an dieser Krankheit gestorben als fünf Jahre vorher.

 

Für den Nutzen dieser Vorsorgeuntersuchung macht es allerdings einen Unterschied, ob sie nach wissenschaftlich definierten Qualitätskriterien abläuft oder nicht. „Eine selten durchgeführte, qualitativ hochwertige Vorsorgekoloskopie bringt für die Darmkrebs-Vorsorge mehr als häufige Koloskopien mit schlechten Qualitätsstandards“, heißt es in der aktuellen einschlägigen Leitlinie der EU-Kommission.

 

„Wesentliche Merkmale einer qualitätsgesicherten Untersuchung sind die Sedierung der zu untersuchenden Person, also die so genannte sanfte Koloskopie, klar definierte Hygienebestimmungen und spezielle Anforderungen an die Qualität der Untersuchung“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Monika Ferlitsch, Gastroenterologin am AKH/MedUni Wien und Leiterin der AG Qualitätssicherung der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH). „Wichtig ist auch ein Benchmarking-System zur Rückkoppelung der Koloskopieerfolge und zum Aufzeigen von Optimierungsbedarf an die zertifizierten Ärzte/-innen.“

Internationale Vorbilder zeigen  Nutzen der Qualitätssicherung

Eine Reihe von europäischen  Ländern in Europa setzt bei der Darmkrebs-Früherkennung auf  Qualitätssicherungs-Programme – darunter Norwegen, Polen und Großbritannien. „Sicherzustellen, dass Vorsorgekoloskopien auf der Basis belegter  Qualitätsstandards durchgeführt werden, gehört heute europaweit zu den zentralen  Aufgaben der zuständigen medizinischen Fachgesellschaften“, betont Prof.  Jaroslaw Regula vom Maria Skaldowska-Curie Memorial Cancer Center in Warschau.

Ein zentraler Indikator für die Qualität einer untersuchenden Stelle ist  die Erkennungsrate von Adenomen, gutartigen Tumoren, die eine Vorstufe von Krebs  darstellen können. In Polen wurden im Rahmen eines organisierten  Vorsorgeprogramms zwischen 2000 und 2011 mehr als 300.000 qualitätsgesicherte  Vorsorgekoloskopien durchgeführt worden. Eine wesentliche Erfahrung, berichtet  Prof. Regula: „Die Adenomerkennungsrate ist in Zentren mit Qualitätssicherung  deutlich höher als in solchen ohne Qualitätssicherung – zum Teil um mehr als das  doppelte.“ Qualitätsmonitoring sollte daher in jeder Endoskopie-Einheit  verpflichtend vorgesehen werden.

Die Aus- und Fortbildung für  Untersucher/-innen sowie eine Rückkoppelung der erhobenen Daten hält der Experte  für wesentliche Faktoren: „Die Schulung und wenn nötig Umschulung der Personen,  die die Koloskopie durchführen, spielt bei der Verbesserung der Qualität der  Programme die Schlüsselrolle. Durch Audit und Feedback verbesserte sich die  Erkennungsrate für Adenome in den polnischen Einrichtungen zwischen 2004 und  2010 jährlich um 1,5 Prozent.“

Qualitätssicherung stärkt  Vertrauen der Patienten/-innen

„Eine aktuelle Studie einer  interdisziplinär zusammengesetzten europäischen Expertengruppe empfiehlt, die  Qualität einer Reihe von Kriterien zu beachten“, berichtet Dr. Lutz Altenhofen  vom Deutschen Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) in Berlin. „Dazu gehören die räumliche und technische Infrastruktur der Einrichtungen, die  Vorbereitung der Patienten und ihre angemessene Nachbetreuung nach der  Untersuchung, die endoskopische Technik und die Untersuchungserfahrung und -kompetenz des Untersuchers.“

Die Einhaltung solcher Standards könnte  sich auch positiv auf die Teilnahme an Vorsorgemaßnahmen auswirken, so der  Experte: „Wenn vermittelt werden kann, dass die Ärzte/-innen sich verbindlich an  immer wieder überprüfte Qualitätsvorgaben halten, stärkt das das Vertrauen der  Patienten/-innen in die untersuchenden Stellen und steigert möglicherweise sogar  die Akzeptanz der Darmkrebsfrüherkennung in der Bevölkerung.“

In  Deutschland gibt es seit 2002 ein erweitertes Angebot zur Darmkrebsfrüherkennung  für gesetzlich Krankenversicherte. Dabei können sich etwa 23 Millionen Menschen  nach einer Beratung entweder für einen Stuhltest oder ab 55 für zwei  Früherkennungs-Koloskopien im Abstand von mindestens zehn Jahren entscheiden.  Alle koloskopierenden Ärzte/-innen werden vielfältigen Qualitätsbeobachtungen  und -prüfungen durch das ZI unterzogen und müssen auch selbstständig zur  Qualitätsdarlegung beitragen. Die Untersuchungen werden in standardisierten  schriftlichen Befunden und mit Bildmaterial dokumentiert. Die Untersucher/-innen  erhalten Feedback auf Basis ihrer Befunde und können so die Qualität ihrer  Koloskopien verbessern.

Österreich: Qualitätszertifikat für  Darmkrebsvorsorge

In Österreich wurde im Juni 2007 von  der  Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGHH)  gemeinsam mit dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger  und der Österreichischen Krebshilfe das Projekt „Qualitätssicherung  Darmkrebsvorsorge“ ins Leben gerufen. Auf der Basis einer eigens entwickelten  Qualitätsleitlinie wird befristet auf zwei Jahre ein Qualitätszertifikat  vergeben. Derzeit sind 208 Krankenhausabteilungen, Ordinationen und Ambulatorien  zertifiziert, das sind 44,8 Prozent aller endoskopierenden Stellen. Mehr als  92.000 qualitätsgesicherte Koloskopien wurden im Rahmen des Projekts bereits  durchgeführt.

Einige Ergebnisse: Bei jeder dritten Person ohne  Beschwerden wurden ein oder mehrere Polypen gefunden, bei jeder fünften Adenome.  Eine von 90 untersuchten Personen hatte einen Darmkrebs. „Diese Zahlen sollten  unsere Patienten davon überzeugen, wie häufig Veränderungen im Darm sind, obwohl  keine Beschwerden vorliegen“, so Prof. Ferlitsch.

Die Bilanz der  Qualitätskriterien sei durchwegs positiv, so die Expertin: „95,7 Prozent der  Koloskopien gehen bis ins Zökum, das heißt, der gesamte Darm wird untersucht.  95,6 Prozent der Polypen werden in einem Untersuchungsgang gleich abgetragen.  86,7 Prozent der Untersuchten wurden sediert. Bei nur 0,25 Prozent der  qualitätsgesicherten Vorsorgekoloskopien ist es bisher zu Komplikationen wie  etwa eine Blutung gekommen.“ 

Erfreulich sei auch das zunehmende  Qualitätsbewusstsein der Konsumenten/innen, so Prof. Ferlitsch: „Wir bekommen  laufend Hinweise, dass die Patienten nach dem Gütesiegel fragen und im Internet  die zertifizierten Stellen stark frequentiert werden.“

Schritte  zur Weiterentwicklung

„Bevölkerungsbezogene Programme zur  Früherkennung und -behandlung des kolorektalen Karzinoms und dessen Vorstufen  können die Belastung durch diese verhältnismäßig häufige Krebserkrankung wirksam  senken“, plädiert Prof. Lawrence von Karsa von der International Agency for  Research on Cancer in Lyon für gezielte, organisierte Screening-Programme. „Voraussetzung ist jedoch die Anwendung evidenz-basierter Methoden sowie die  Gewährleistung einer hohen Qualität aller mit der Durchführung des Screenings  zusammenhängenden Maßnahmen.“ Zur Gewährleistung einer hohen Qualität gehören  die Abläufe von der Information und persönlichen Einladung jeder einzelnen  Teilnahmeberechtigten, über die Durchführung der eigentlichen  Früherkennungsuntersuchung, bis hin zur diagnostischen Abklärung von auffälligen  Befunden, sowie gegebenenfalls Therapie und Nachsorge, so der Experte.

Für Österreich sieht Prof. Ferlitsch vor dem Hintergrund der  internationalen Erfahrungen und Empfehlungen Potenzial für die Weiterentwicklung  der Darmkrebsvorsorge: „Die Qualitätssicherung erfolgt derzeit mit Ausnahme des  Burgenlands und Vorarlberg auf freiwilliger Basis. Die österreichweite  Verankerung der Qualitätssicherung und die Einführung eines Einladungssystems  für die Zielgruppen, die von der Vorsorge profitieren, würde zu einer weiteren  starken Senkung der Neuerkrankungsraten führen“, ist die Expertin überzeugt.  Auch eine frühere Zuweisung von Männern könnte Teil einer Weiterentwicklung des  österreichischen Programms sein: „Unsere Daten zeigen, dass Männer bereits im  Alter von 45 bis 50 Jahren ein gleich hohes Risiko für ein fortgeschrittenes  Adenom haben wie Frauen im Alter von 55 bis 60 Jahren.“

 

Eine Liste aller zertifizierten Untersuchungsstellen in Österreich gibt es hier.

 

Fotogallerie des Symposiums

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